tamarasteinhart
Augen-Blicke
Wenn Augen Fenster in unsere Seele sind, so ereignet sich der Einblick in unsere Gefühlswelten in zwei Richtungen: der Schauende erkennt sein Gegenüber in Schichten, die hinter der Persona liegen und der Angeschaute wird dabei mitunter in seinem innersten Wesenskern berührt. In den Augen begegnen sich Geist und Materie. Mit den Augen übermitteln wir Gefühle und Gedanken, mit dem Blick lassen wir zu und grenzen uns ab. Blicke sind in der Lage zu fesseln.
Dieses Phänomen stellt sich auch bei der Betrachtung der Persönlichkeiten ein, die Tamara Steinhart in ihren großformatigen Malereien Gestalt werden lässt. Überlebensgroß begegnen uns Menschen, die vor allem durch ihren intensiven Blick auffallen, der einen direkt in einen Dialog zieht, der umso tiefer wird, je länger der Blickkontakt hält. Dabei geben die Portraitierten nicht nur etwas von sich selber preis, sondern führen
uns mit ihren Blicken in uns selbst hinein, berühren uns, so als seien sie Spiegel der zahlreichen Facetten unserer eigenen Befindlichkeiten, die sich zwischen den Polen Stärke und Verletzlichkeit entfalten. Dies ereignet sich im Übrigen auch, wenn die Personen im Moment der Innenschau, mit geschlossenen Augen, gezeigt werden.
Typisch für Tamara Steinhart ist die Verwendung von zahlreichen Attributen wie Kleidung, Schmuck, Kopfputz, Tiere, Pflanzen und allerlei Gegenstände, die ein dichtes Beziehungsgeflecht aufspannen und so die Gezeigten näher beschreiben wie auch verorten. Dabei arrangiert Tamara Steinhart die Attribute oftmals in der Manier barocker Prunkstillleben, die durch ihre Üppigkeit und sinnliche Fülle faszinieren wie auch durch die genaue Wiedergabe der stofflichen Qualitäten der Gegenstände. Diese Feinmalerei gelingt auch Tamara Steinhart, obwohl sie in Acryl arbeitet, was eine zügige Malweise erfordert. Weitere Bedeutungsgeflechte, die entschlüsselt werden wollen, lässt Tamara Steinhart über Farb- und Formkorrespondenzen sowie über Seh- und Kompositionsachsen entstehen.
In solcher Weise mit Sinn und Bedeutung versehen, gewinnen die Gezeigten nahezu allegorische Qualitäten. Und obwohl sich das betrachtende Auge gerne in der Fülle der Motive, der Dichte des Raumes und der Harmonie der Farben ergeht, ist es doch immer wieder der Blick der Portraitierten, der einen hält. Derart geraten die Bildnisse zu Projektionsflächen für den Betrachter. Einmal auf diese Augen-Blicke eingelassen, haben die Malereien von Tamara Steinhart die Kraft, dass aus Seherlebnissen Seelenerlebnisse werden.
Dr. Stefanie Lucci, im April 2013